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Osmose bei GFK-Yachten

Osmose bei GFK-Yachten

Osmose – Ein besonderes Problem bei GFK-Yachten

Holz rottet – Stahl rostet – GFK bekommt Osmose. Jedes Bootsbaumaterial leidet an seinen typischen Alterserscheinungen. Doch warum entwickeln sich die Osmoseblasen, wie kann ich eine Osmose erkennen und vor allem – wie sollte ich meine Yacht sanieren? YACHTCARE gibt Ihnen einen kurzen Überblick:

Osmoseschäden an GFK-Rümpfen sind leider nicht vorhersehbar. Die typische und gefürchtete Blasenbildung im Unterwasserbereich kann in fast jedem Lebensalter einer Yacht auftreten. Jeder Eigner eines GFK-Schiffes sollte sich über dieses Thema informieren, um die besagte „GFK-Pest“ nicht zu unterschätzen oder gar zu übersehen.

Was ist Osmose?

Ein kurzer Ausflug in die Physik ist notwendig, um den Ablauf einer Osmose zu erläutern. Der Begriff „Osmose“ beschreibt im Grunde einen in der Natur alltäglichen, physikalischen Prozess. Zwei Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Konzentrationen versuchen durch eine halb-durchlässige Membran einen Konzentrationsausgleich zu erreichen. Dabei lässt die höher konzentrierte Lösung (Wasser mit gelösten Substanzen aus dem Laminat) durch die Membran (Gelcoat) die niedriger konzentrierte Lösung (Wasserdampf von der Außenseite) diffundieren. Was der Eigner an seinem Rumpf sieht, ist somit korrekt genommen das Resultat – eine Blasenbildung hervorgerufen durch einen osmotischen Prozess. Der fälschlich angewendete Begriff ist jedoch für den Bereich GFK-Boote soweit etabliert, dass wir ihn für unsere Ausführungen weiter verwenden.

Ursachen einer Osmose

Die Ursachen einer Osmose sind vielfältig. Häufigste Fehlerquellen sind bereits beim Bau des Rumpfes die Verwendung von unzureichenden Materialqualitäten oder nicht fachmännische Verarbeitungsmethoden. Aber auch die Umwelteinflüsse während der Nutzung spielen eine wichtige Rolle.

Eine kleine Übersicht der häufigsten Ursachen:

  • Kleine Luftblasen im Laminat, die während der Verarbeitung nicht entlüftet worden sind 
  • Die Gelcoatschicht ist zu dünn dimensioniert oder nur mangelhaft vernetzt (Über- bzw. Unterdosierung des Härters)
  • Die Polyesterharze und Glasfasermatten des Laminats sind qualitativ nicht für eine dauerhafte Wasserbelastung geeignet (geringere Hydrolysebeständigkeit)
  • Die Glasfasern sind nicht vollständig mit Harz getränkt worden
  • Wasserqualität (Süß- oder Salzwasser) und Wassertemperatur. Testreihen belegen, dass Süßwasser sowie warme Wassertemperaturen eine Osmose begünstigen
  • Keine Regenerationsmöglichkeit des Rumpfes an Land z. B. durch Trocknung während des Winterlagers

Bedingt meist durch das Zusammenspiel mehrerer dieser Schwachpunkte kann der Wasserdampf durch das Gelcoat, welches im Hinblick auf die Polyester-Basis nicht vollständig diffusionsdicht ist, in die kleinen Hohlräume des Laminats diffundieren. Dort kondensiert der Dampf zu Wasser und kann in dieser Form nicht mehr zurück entweichen. Die häufigsten Schwachstellen sind meistens kleine Lufteinschlüsse zwischen der Gelcoat- und der ersten Laminatschicht. Das Wasser reagiert dort mit wasserlöslichen, chemischen Substanzen von Harz, Härter oder Bindemittel. Diese Flüssigkeit versucht sich weiter zu verdünnen und zieht immer mehr Wasser von außen in den Hohlraum. Der auf diese Weise entstehende Innendruck verformt das Gelcoat und zeichnet sich als allmähliche, größer werdende Blasenbildung in der Außenhaut ab. Zuletzt ist der Innendruck in den Blasen so groß, dass sich das Gelcoat vom Laminat ablöst oder sogar aufplatzt. Der Prozess einer Osmose erfolgt überwiegend von außen, d. h. der Wasser dauerhaft zugewandten Seite, nach innen. In selteneren Fällen kann sich eine Osmose auch im Innenbereich z. B. in einer stets feuchten Bilge oder durch undichte oder schlecht eingepasste Wassertanks entwickeln. Es sind auch Fälle dokumentiert, bei denen im Überwasserbereich eine Osmose durch permanentes Schwitzwasser aufgrund einer zu eng sitzenden Plane entstanden ist.

Die Diagnose

Sollten Ihnen also beim Aufslippen des Schiffes im Herbst kleine Pickel oder Blasen am Rumpf auffallen, sollten diese umgehend untersucht werden. WICHTIG: Nicht jede Beule am Unterwasserschiff bedeutet gleich Osmose. Eine Blasenbildung kann durchaus andere Ursachen haben wie z. B. durch Lösemitteleinschlüsse im Antifouling oder in der Primerschicht. Eine Begutachtung des Rumpfes sollte auch unmittelbar nach dem Kranen erfolgen, wenn die Yacht quasi noch „nass“ ist. Steht der Rumpf trocken im Winterlager trocknen nämlich auch die Osmoseblasen aus und bilden sich zurück. Aber Achtung, sie halten nur Winterschlaf bis zum nächsten Zuwasserlassen. Die typischen Osmose-Blasen sind in oder unter der Gelcoat-Schicht zu finden. Enthalten die Blasen eine Flüssigkeit, muss diese gründlich geprüft werden. Riecht diese meist bräunliche Flüssigkeit säuerlich nach Essig bzw. reagiert diese bei einem Test mit pH-Papier sauer, liegt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Osmose vor. Die sofortige Untersuchung ist notwendig, da die kleineren Blasen bereits nach kurzer Zeit wieder „verschwinden“. Eine Osmose ist aber nicht reversibel, d. h. sie bleibt latent im Laminat vorhanden und „erwacht“ bei einer erneuten Wasserbelastung wieder zum Leben. Handlungsbedarf zum Werterhalt ist auf jeden Fall unvermeidlich. Eine wachsende Wasseraufnahme im Laminat kann zu einer Delaminierung der einzelnen Schichten führen und die Stabilität des Rumpfes stark beeinträchtigen. Ebenso kann eine umgehende Feuchtigkeitsprüfung Aufschluss über den Zustand des Rumpfes liefern. Lautet die Diagnose „Osmose“, ist nicht nur der sprichwörtliche „Gute Rat“ teuer. Ob man selber Hand anlegt oder einen Fachbetrieb mit der Reparatur beauftragt ist ebenso vom Ausmaß der Osmose abhängig zu machen wie natürlich auch vom Geldbeutel, den handwerklichen Kenntnissen und der Arbeitsmöglichkeit des Eigners. Eine zusätzliche Hilfestellung für das komplexe Thema „Osmose“ bietet die diesbezügliche Fachliteratur an, die weit umfassender und detaillierter als unsere kleine Übersicht auf den Sachverhalt eingehen kann.

Die Sanierung

Bevor mit der eigentlichen Sanierung des Rumpfes begonnen werden kann, sind einige wichtige Punkte im Vorwege generell zu beachten:

  • Entfernung aller Altanstriche (Antifouling, Primer etc.)
  • Jede einzelne Blase wird sorgfältig geöffnet bzw. bei größeren Schäden wird das Laminat durch Schleifen, Fräsen, Hobeln oder Strahlen des Gelcoats freigelegt
  • Bei einer größeren Sanierung wird auch ein Teilbereich oberhalb der Wasserlinie mitbehandelt, um ein Osmose-Potential aus diesem Bereich ausschließen zu können
  • Die Flächen werden mehrmals gründlich mit Frischwasser gespült, um die gelösten Substanzen vollständig herauszuwaschen
  • Das Laminat muss längere Zeit trocknen können, damit alle Feuchtigkeit restlos aus dem Rumpf verdunsten kann. Während dieser Zeit sollte der Feuchtigkeitsgrad an mehreren Stellen des Rumpfes regelmäßig mit einem Feuchtemesser gemessen werden. Vergleichswerte werden ebenfalls vom trockenen Überwasserbereich genommen. Eine zu voreilige Beschichtung des Rumpfes beseitigt nicht die Osmose, sondern konserviert diese vielmehr im Untergrund. Ist der erforderliche Trockenheitsgrad erreicht, wird die gesamte Fläche erneut übergeschliffen und der Schleifstaub entfernt
  • Entstandene Unebenheiten durch das Öffnen der Blasen werden mit einem Epoxy-Spachtel wieder ausgeglichen
  • Die angeschliffene Gelcoatschicht wird nun durch einen Neuaufbau mit einem 2-komponentigen EpoxyPrimer ersetzt. Die empfohlene Schichtstärke des Primers sollte mind. 350 µm TSD erreichen. Falls die Gelcoatschicht komplett entfernt werden musste, muss eine Primerschichtstärke von mind. 600 µm TSD aufgetragen werden.

TIPP vom DOCTOR BOAT

Für eine professionelle Einschätzung eines Osmoseschadens – auch beispielsweise beim Kauf einer GFK-Gebrauchtyacht – kann man in Erwägung ziehen, einen Sachverständigen auf diesem Gebiet zu Rate zu ziehen. Die Fachleute können das Ausmaß einer Osmose, die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen und die Kosten kompetent beurteilen. Eine Übersicht von Sachverständigen und Gutachtern finden Sie z. B. auf https://www.dbsv.de/de (Deutscher Boots- und Schiffsbauer-Verband).

 

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